Libertalia – Rezension
– Rezension des neuen Freibeuterabenteuers von Feuerland –
Basisdaten
Verlag: Feuerland
Art: Familienspiel / Strategiespiel
Zielgruppe (offiziell): 14 Jahre +
Spieleranzahl: 1-6
Spieldauer (offiziell): 45-60 Minuten; tatsächlich ca. 15-30 Minuten länger
Preis: ca. 50,00 €
Einleitende Worte
Ich kam zu diesem Spiel eher überraschend. Es war bereits aufgebaut, als ich am Vormittag des zweiten Tages der Himmelfahrt-Reise 2022 nach Bergneustadt den großen Spielesaal des Hotels betrat. Ich wurde eingeladen, als vierter Spieler mitzuspielen. Das Spiel sprach mich optisch aufgrund des comicartigen, fast schon ins „animehafte“ hineingehenden Stil der Charakterkarten (Crew-Karten) nicht besonders an. Ich erwartete ein eher unspektakuläres Spiel mit einem simplen Konzept und begrenzten Spielelementen. Ich sollte eines Besseren belehrt werden…
Hauptteil (Überblick über Spielzüge und Spielziel)
Das Spiel hat zwei Spielbrettseiten, wobei sich die Vorderseite, die eine Insel im Sonnenschein zeigt, eher für Anfänger eignet und die Rückseite (die Sturmseite) eher für Fortgeschrittene. Die Rückseite birgt mehr Gefahren für die Spielstrategie und hält ein paar unangenehme(re) Überraschungen bereit. Zum Beispiel können auf der Sonnenseite Charakterkarten mit der „Säbelfunktion“ nur von der Insel auf den Friedhof „weggesäbelt“ werden, also bevor sie Teil der festen Crew für die jeweilige Reise werden. Auf der Sturmseite kann man dann sogar gegnerische Crewmitglieder, die sich bereits auf deren Piratenschiff befinden (und dort eine für den Spieler nützliche wiederkehrende Funktion auslösen oder evtl. einen Vorteil bei der Endabrechnung der Reise bieten), auf den Friedhof befördern.
Doch nun von Anfang an in aller Kürze:
Das Spiel dauert drei „Schiffsreisen“ lang, die erste dauert 4 Tage, die zweite 5 Tage und die dritte 6 Tage. Zu Beginn jeder Reise erhält jeder Spieler ein Deck aus den gleichen 8 Charakterkarten, wobei diese alle die gleichen Kartenwerte (von 1 bis 40) sowie die gleichen Fähigkeiten aufweisen.
Die Spieler spielen diese jedoch pro Runde (Tag) in einer beliebigen Reihenfolge verdeckt aus, so dass – in einem Spiel zu viert – in einem Spielzug auch vier verschiedene Charaktere die Insel „betreten“ könnten. An jedem Tag gibt es eine gewisse Anzahl von Aktionen, die man nacheinander „abarbeitet“. Zuerst werden die Charakterkarten ihrem Zahlenwert entsprechend von niedrigem Wert zu hohem Wert von links nach rechts auf dem Spielplan platziert. Dann werden der Rehe nach von links nach rechts die „Sonnenfunktionen“ der Karten ausgeführt, sofern die jeweilige Karte eine solche aufweist. Bei gleichen Charakterkarten wird diejenige höher (also weiter rechts platziert), deren Besitzer den höheren Ruhmeswert auf der Skala auf dem Spielbrett aufweist. Im Laufe des Spiels kann man Ruhmespunkte gewinnen und verlieren, so dass sich die Reihenfolge entsprechend ändern kann. Außerdem erhält man Golddublonen, die später eins zu eins in Siegpunkte umgerechnet werden können und deren Anzahl nach jeder Reise auf der Schatztruhe, die jeder Spieler erhält, eingetragen werden.
Nach der Sonnenphase kommt die Dämmerungsphase. Hier wird in umgekehrter Reihenfolge gespielt, also von rechts nach links. Der Spieler mit der Charakterkarte mit dem höchsten Wert beginnt, führt die etwaige Dämmerungsfunktion der Karte aus und nimmt sich einen – in seltenen Fällen auch zwei – Spielsteine vom Beutefeld des Tages.
Dort gibt es Schätze, die – auf der Sonnenseite der Insel (für Anfänger) – am Ende der Reise 5 Siegpunkte zählen und Amulette, die 3 Siegpunkte zählen, aber auch böse Relikte / verfluchte Schätze, die am Ende 3 Minuspunkte bedeuten, wenn man sich diese „einfängt“. Die letzten Spieler „beißen“ dabei die Hunde, denn es gibt immer so viele zufällig aus dem Beutel gezogene Beutesteine wie Spieler mitspielen, so dass die Relikte regelmäßig zu demjenigen Spieler „wandern“, der die Charakterkarte mit dem kleinsten Wert ausgespielt hat.
Außerdem gibt es noch Fässer, die einem regelmäßig Proviant und damit kleinere Summen an Dublonen bescheren, Spielsteine mit zerrissenen Schatzkarten, die bei einem solchen Stein am Ende der Reise 0 Punkte bringen, wenn man aber zwei oder drei Schatzkartensteine besitzt 7 Punkte bzw. gar 14 Punkte bescheren. Schließlich gibt es Haken und Säbel. Hat man am Ende der Reise einen Haken, kann man ein Crewmitglied von einer vorherigen Reise auf die neue Reise mitnehmen und wieder auf die Hand nehmen. Ansonsten kommen alle alten Charakterkarten weg und man erhält acht vollkommen neue Charakterkarten (die gleichen neuen Karten wie die Mitspieler). Mit dem Säbelstein kann man bei dessen Erhalt – wie oben bereits beschrieben – eine Charakterkarte eines Gegners (sei es auf der Insel oder auf dem Schiff) entfernen und auf den Friedhof befördern.
Nach der Dämmerungsphase bewegen sich alle (noch lebenden) Charakterkarten von der Insel auf das jeweilge Piratenschiff des Spielers, das dieser durch offenes Ablegen der Karten vor sich sukzessive bildet.
Zum Schluss kommt dann noch die Nachtphase, in der manche Karten, die sich dann auf dem Schiff befinden, kleinere Wirkungen entfalten können. Die Kellnerin verschafft einem z. B. jede Nacht eine extra Golddublone.
Am Ende jeder Reise erfolgt eine Zwischenabrechnung, die „Ankerphase“. Dort erhalten die Spieler dann auch die Punkte für ihre Beutesteine wie Schatztruhen, Schatzkartenteile oder Amulette. Außerdem werden etwaige Boni der Charakterkarten, die erst in der Ankerphase ihre Wirkung entfalten, verteilt. Die Summe der insgesamt erhaltenen Golddublonen wird auf dem „Schatztruhenzähler“ eingetragen bzw. bei der zweiten und dritten Reise zu der dort bereits stehenden Zahl addiert. Nach der dritten Reise gewinnt der Spieler mit den meisten Schatztruhenpunkten.
Fazit (Bewertung)
Das Spiel hat einen sehr hohen Wiederspielwert, weil sich immer andere Konstellationen von Kartendecks und damit günstige oder ungünstige Kombinationen von Charakterkarten ergeben, mit denen dann aber jeder Spieler gleichermaßen zu kämpfen hat bzw. die jedem der Spieler gleichermaßen zu Gute kommen. Außerdem gibt es zwei verschiedene Spielbrettseiten, die auch für Abwechslung sorgen. Das Spiel hat – aus Sicht des Rezensors – einen ausgewogenen Glücks- und Strategiefaktor. Es dauert nicht zu lang (mit ca. 60-90 Minuten realistischer Spieldauer), so dass es als Familienspiel geeignet ist. Die Anleitung ist gut verständlich, wenn man die einzelnen Spielphasen genau studiert. Die Charakterkarten (oft aus dem Tierreich) sind mit Witz gestaltet, z. B. ist das „W“ bei der Karte „Waffenschmied“ etwas verdeckt, so dass man auch „Affenschmied“ lesen könnte. Und wie bestellt, sieht man einen Orang-Utan, der munter auf ein Stück Eisen, das auf dem Amboss liegt, hämmert…
Das Spiel ist mit einem Preis von ca. 50,00 € recht teuer, hat allerdings den für Feuerland-Spiele dieser Kategorie üblichen Preis. Schön ist außedem, dass man das Spiel mit bis zu 6 Spielern spielen kann. Mir hat es insgesamt gut gefallen.
Ich würde daher das Spiel mit 4 von 5 möglichen Sternen bewerten.
Dennis Kues